Ein Tag im Leben von einem Stuhl

Es ist Morgen und mich erwartet nochmals ein komplett langweiliger Tag. Ich werde wohl wie immer unter ein Pult geschoben. Manchmal glaube ich sogar, dass mein Besitzer mich vergessen hat. Schmutzige Kleider liegen auf mir. Jeden Tag bin ich gezwungen, diese stundenlang zu ertragen. Dabei könnte man mich durchaus für etwas Anderes benutzen. Und was bekomme ich dafür, dass ich diese Schmutzwäsche ertrage? Man stösst mich unsanft an die Ecke des Pultes!

Ich wünschte, ich könnte zu einer neuen Familie, wo ich mindestens freundlich aufgenommen werde. Sonst werde ich hier vor lauter Langweile noch sterben. Es war nicht immer so.

Vor ein paar Jahren war ich in meiner Prime. Jeder wollte mich benutzen und es gab sehr wenig Ruhezeit. Das ständige Arbeiten damals hat mich begeistert und ich freute mich immer auf einen weiteren Tag. Tag für Tag fragte ich mich, wie sich wohl ein eher stilles Leben anfühlen würde. Jetzt weiss ich wie, so langweilig wie noch nie. Damals war ich immer glücklich und motiviert, jetzt kriege ich nicht mal einen Glücksmoment.

Ich werde älter und dreckiger mit jedem Tag. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich im Keller lande. Ich schaue nur zu, wie die andere Stühle immer mehr Raum und Ehre gewinnen. Einsam und isoliert bin ich seit Monaten schon, keiner kommt mich zu ermuntern. Nicht mal der Tisch redet mehr mit mir, da er mit dem gegnerischen Stuhl im Kontakt steht. Ich fühle mich von der Welt getrennt und betrogen.

Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen, als ich noch jung und kräftig war. Damals wollte jeder auf mir sitzen und ich hatte immer etwas zu tun. Jetzt ist meine Zeit vorbei. Hoffentlich werde ich Spass im Keller haben, vielleicht treffe ich den einen oder anderen älteren Arbeitskumpel. Ich war noch nie dort runter. Ich weiss nicht, wie meine Zukunft verlaufen wird, aber ich weiss, dass meine Zeit hier bald abgelaufen ist.

Manchmal treffe ich aber auf Dinge, die aus dem Keller geholt werden. Ich kann mich nicht zurückhalten und bombardiere sie aus lauter Neugier mit Fragen. Leider weiss ich trotzdem nicht, ob der Keller mir wirklich gefallen wird. Spielt aber keine Rolle. Ich kann nichts mehr machen. Hoffentlich wird mein Leiden bald auch ein Ende finden.

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