Die falsche Tochter (Pinke Pille)

Hallo, ich bin Layla und 17 Jahre alt. Ich wohne in einer kleinen abgelegenen Gegend ausserhalb von Berlin. Im Gegensatz zu anderen Menschen in unserem Viertel, die ziemlich reich sind und in grossen prahlerischen Häusern oder sogar Villen und ihren Reichtum ungeniert zeigen, leben, hause ich in ziemlich schlechten Verhältnissen. Meine Mutter und ich haben eine kleine 2-Zimmerwohnung und kommen kaum über die Runden.

Eine weiterführende Schule ist für mich auch kein Thema, da wir kein Geld dafür haben. Was ich eigentlich schade finde, weil ich sehr gerne Anwältin geworden wäre. Als ich acht Jahre alt war, hatte ich ein Buch gelesen, in dem es um eine unglaublich schlaue Anwältin ging. Dieses Buch ist das einzige, was ich noch von meinem Vater besitze. Er wurde, als ich vier war, von einer Gruppe Krimineller angegriffen und erstochen. Ich vermisse ihn sehr, auch wenn ich ihn nie richtig kennenlernen durfte.


Aber zurück zu meiner Geschichte. Es war Mitte November und dämmerte bereits. Ich streifte durch die Gassen der Innenstadt und war schon etwas angetrunken, als plötzlich aus einer Ecke jemand meinen Namen rief. Ich drehte mich ruckartig um und sah einen alten, mysteriösen Mann, der mich schief anschaute. Er sagte „Komm mal her, ich muss dir etwas geben.“ Zuerst war ich ziemlich skeptisch, da er nicht wirklich vertrauenswürdig aussah. Da ich aber unbedingt wissen wollte, was er mir zu zeigen hatte, ging ich auf ihn zu.

Er drückte mir eine Dose pinkfarbener Pillen in die Hand und murmelte etwas wie „Hier nimm, sie werden dir helfen.“ „Ich nehme keine Drogen! Was soll das?“, antwortete ich schockiert. Jedoch war der Mann schon in der Hälfte des Satzes verschwunden. Ich betrachte die Pillen und sagte mir „Naja, vielleicht kann ich sie ja wenigstens gut verkaufen, heutzutage kaufen die Leute ohnehin alles.“ Ich schwankte also noch etwas herum und ging langsam nach Hause.

Dort war es jedoch auch nicht viel besser, da meine Mutter mal wieder total betrunken war und mich ohne Grund anschrie. Ich ignorierte sie einfach komplett und entschied mich, wieder rauszugehen. Währenddessen hörte ich meine Mutter schreien „Toll, jetzt gehst du wieder oder was? Man kann dich einfach für nichts gebrauchen!“ Ich antwortete nicht und liess die Türe hinter mir zufallen.

Als ich draussen war, war es schön ruhig. Der kalte Wind flog mir ins Gesicht und der Regen prasselte auf den Boden. Ich lief durch die Gassen und nahm eine der Pillen ein, da ich wissen wollte, welchen Effekt sie hatten. Sie zeigten jedoch keine Wirkung. „Super! Könnte mein Leben eigentlich noch beschissener laufen?“, murmelte ich vor mich hin. Das Schicksal meinte es wirklich nicht gut mit mir.

Ich schaute auf und sah direkt die reichste Familie unserer Stadt. Sie waren das komplette Gegenteil von uns, reich, glücklich und lebten in einer Riesenvilla. Sie sassen alle glücklich am Tisch und assen zusammen, während ich hier im kalten Regen stand und mich fragte, was eigentlich schiefgegangen war bei uns. Manchmal wünschte ich einfach, ich wäre Adriana, die Tochter der beiden. Ich wurde langsam müde und ging nach Hause, wo meine Mutter zum Glück bereits schlief. Leise schlich ich in mein Zimmer und ging auch schlafen.

Kaum war ich eingeschlafen, wurde ich von einem lauten Knall wach und schreckte auf. Es war aber nur meine Mutter, die die Türe zugeknallt hatte, da sie zur Arbeit gegangen war. Ich stand auf und ging ins Bad. Dabei dachte ich mir, eines Tages werden wir auch noch hier rausgeschmissen, wenn das so weitergeht und stiess mit meinem Fuss eine leere Bierflasche aus dem Weg. Im Bad schaute ich in den Spiegel und mein Herz blieb fast stehen.

Was, wie kann das sein!? Ich versuchte mich zu beruhigen und sagte mir, dass das alles bestimmt nur ein Traum sei. Ich sah aus wie Adriana! Was war passiert? Plötzlich ging mir ein Licht auf. Diese Pillen … Der Mann meinte doch, dass sie mir helfen werden oder so. Ich suchte sofort nach der Dose und fand sie schliesslich in meiner Tasche. Ich versuchte den Namen von den Pillen herauszufinden oder einfach eine Information, aber vergeblich. Was sollte ich tun? Den alten Mann würde ich ja wohl auch nicht mehr finden, der war schon längst verschwunden.

Also versuchte ich etwas. Ich wünschte mir, mich in eine Katze zu verwandeln. Als dies funktionierte, wusste, ich, dass diese Pillen definitiv keine Drogen waren. Ich verwandelte mich zurück und durchsuchte nochmals die Dose und fand winzig klein unten auf dem Boden stehen: maximale Wirkungszeit zwei Stunden. Nur zweimal täglich einnehmen. Okay. Mit diesen Pillen konnte ich mich zweimal täglich für zwei Stunden in alles und jeden verwandeln. Ich stand vollkommen unter Schock.


Plötzlich kam mir eine Idee. Wenn ich aussehe wie Adriana, dann könnte ich theoretisch bei ihnen einbrechen, einige Dinge mitnehmen und ohne Risiko wieder rausschleichen. Ich entschied mich, diese Idee zu verwirklichen. Diese Familie würde es ja nicht mal merken, dass etwas verschwunden wäre. Ich hingegen würde dadurch meiner Mutter und mir das Leben etwas verbessern. 

So gegen 16 Uhr ging ich los. Es war ziemlich kalt und als ich vor dem Haus stand, nahm ich eine der Pillen und betete, dass es klappen würde. Es dauerte einige Sekunden und ich fühlte ein komisches Gefühl im Bauch. Als ich in einen Autospiegel blickte, erkannte ich, dass es funktioniert hatte. Ich freute mich und klingelte an der Tür.

Es macht mir jedoch nur eine Putzfrau auf und sagte freundlich „Adriana, was machst du so früh hier? Hast du nicht noch Unterricht?“ „Ähm, also es ging mir nicht so gut und ich wollte nach Hause.“ „Ach so, komme rein, ich bringe dir eine warme Suppe.“ Ich lächelte sie freundlich an und bedankte mich. Die Villa war atemberaubend. Ich lief die Treppe hinauf und suchte Adrianas Zimmer. Ich fand es recht schnell, da ihr Name gross und golden auf der Tür stand.

Langsam öffnete ich die Tür. Wow! Das Zimmer war noch schöner als in meinen kühnsten Vorstellungen. Ein riesiges, gemütliches Bett und ein Kleiderschrank, der doppelt so gross wie mein Zimmer war. Und überall kleine goldene Details. Es war im wahrsten Sinne ein unbeschreibliches Zimmer. Ich legte mich direkt ins Bett und bereits einen Moment später brachte mir die Putzfrau eine warme und unglaublich leckere Suppe. Ich liebe diese Leben jetzt schon!

Leider verging die Freude ziemlich schnell, als plötzlich die echte Adriana ins Zimmer kam. Sie sah mich an, wurde weiss wie eine Wand und begann laut loszuschreien. Ich hielt ihr schnell den Mund zu und sagte: „Hör mir bitte zu!“ Sie wollte jedoch nicht wirklich zuhören, sondern begann wild um sich zu schlagen. Ich hatte keine andere Wahl. Also nahm ich das Seil aus meiner Tasche, fesselte sie und schubste sie in den Kleiderschrank. „Tut mir leid, du Verrückte, es muss sein“ und schloss die Tür des Kleiderschranks.

Das Ganze geriet langsam ausser Kontrolle, ich musste mich beeilen. Ich packte also ein paar Dinge, die ziemlich teuer aussahen und rannte los. Aber zu meinem Unglück standen bereits Frau und Herr Armani vor der Tür. „Adriana, Liebes, komm, wir essen bald.“ Jetzt hatte ich ein riesengrosses Problem. Die Pille wirkte nicht mehr lange und Adriana würde es sicherlich auch bald rausschaffen. Ich war total verzweifelt und hatte kein Plan, was zu tun war.

Ihre Eltern zerrten mich zum Esstisch, wo schon ein üppiges Festmahl stand. Ich hatte also keine andere Wahl, als mich einfach hinzusetzten und mitzuessen. Es war mit Abstand das leckerste Essen, das ich je gegessen habe. Jedoch hatte ich auf einmal andere Sorgen, als ich spürte, dass jemand hinter mir stand. Ich wusste ganz genau, wer es war und ich plante schon meine Flucht.

„Adriana, wer ist dieses Mädchen und wieso sieht sie aus wie du?“ Daraufhin antwortete die echte Adriana: „Ich bin Adriana und ich habe keinen blassen Schimmer, wer das hier ist!“ Die Eltern sahen mich erschrocken an und ich entschied, dass jetzt der richtige Zeitpunkt zum Flüchten wäre. Ich packte meine Tasche und sprintete los, die anderen natürlich alle hinterher. Ich rannte und rannte, bis ich das Gefühl hatte, sie abgehängt zu haben. Das lief definitiv nicht nach Plan, aber egal, wenigstens konnte ich jetzt noch etwas mitnehmen!

Zu Hause angekommen war es wie immer total unordentlich. Ich rief nach meiner Mutter und es sprudelte aus mir heraus: „Schau mal, was ich gefunden habe, wir können uns endlich …“. Bevor ich den Satz beenden konnte, schlug mir jemand mit einer Bierflasche auf den Kopf. „Wie kannst du es wagen, dich hier überhaupt wieder blicken zu lassen! Verschwinde, ich will dich nie mehr sehen!“ Ich sah etwas unscharf, aber ich rannte einfach aus dem Block, ohne ein einziges Wort zu sagen.

Da stand ich nun, draussen, in einer Ecke und hielt mir ein Taschentuch an die Wunde. Ich brachte kein Wort heraus und Tränen liefen mir über die Wangen. Ich verwandelte mich inzwischen auch in mein altes Ich zurück. Zusätzlich war dies auch noch meine letzte Pille gewesen. Ich wusste echt nicht, wie es weitergehen sollte, als ich plötzlich eine bekannte Stimme hörte.

„So lebst du also?“ Ich drehte mich ruckartig um, es war die Mutter von Adriana. „Du musst gar nicht versuchen, dich herauszureden. Ich habe alles gehört.“ Ich schaute sie nur erschrocken an und wusste, dass sich mein Leben in diesem Moment für immer veränderte.


Hat dir die Geschichte gefallen? Interessiert es dich, wie Laylas Leben weiterging? Hinterlasse mir einen Kommentar, mit Ideen, Vorschlägen, Lob 😄

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