Das Leben im Schatten des Jugoslawienkrieges

Mein Name ist Amna Pandur. Ich bin 14 Jahre alt und besuche derzeit die dritte Sekundarstufe A.

Im Projektunterricht haben wir die Aufgabe erhalten, ein Migrationsportrait zu schreiben. Doch was ist Projektunterricht genau? Ab der dritten Sek hat man das Fach Projektunterricht, in dem man sich, wie der Name sagt, mit verschiedenen Projekten befasst. Egal, ob das jetzt kleinere Gruppenprojekte sind oder grosse wie das Migrationsportrait. Mit Freude gehe ich an das Projekt und freue mich, von meiner Arbeit zu berichten und sie mit euch zu teilen.

Einleitung

Warum habe ich mich für diese Interviewperson entschieden?

Entschieden habe ich mich für meinen Grossvater. Seine Geschichte hat mich sehr bewegt, da ich ihm sehr nahestehe und einen grossen Teil meiner Kindheit mit ihm verbracht habe. Ich fühle mich geehrt, seine Geschichte wiedergeben zu können.

Welche Erwartungen habe ich an das Projekt?

Vom Projekt erwarte ich, dass ich mich selbst, aber auch andere darüber aufkläre, wie es für die Bevölkerung war, als der Jugoslawienkrieg ausbrach und man um sein Leben fürchten musste. Allerdings vermute ich, dass es in dieser kurzen Zeit, die wir haben, eine echte Herausforderung wird, der ich mich aber sehr gerne stelle. 

Herkunft meines Grossvaters

Mein Grossvater kommt aus Glumina, Kanton Tuzla in Bosnien Herzegowina. Das Dorf liegt heute in der Republika Srpska (Republik Serbien), das jedoch selbst immer noch zu Bosnien Herzegowina gehört. Bosnien und Herzegowina ist ein Land auf dem Balkan und somit eher im nordöstlichen Teil der Welt. Auf der Karte liegt Glumina sehr nördlich, gleich an der Grenze zu Serbien.

Lage Glumina

Seine Kindheit und Schulzeit hat mein Grossvater ebenfalls in dem friedlichen Dorf verbracht. Ich selbst war auch schon in Glumina und finde es toll, wie freundlich und hilfsbereit die Bevölkerung ist trotz der schlimmen Vergangenheit, die leider noch in der Gesellschaft verankert ist. 

Die Eltern besassen einen kleinen, hinreissenden Bauernhof neben dem Haus. In dem Haus lebten die Eltern, die Grosseltern, die drei Geschwister und mein Grossvater. Sie lebten allerdings in mittelmässigen Verhältnissen. Die Mutter war Hausfrau und blieb immer zu Hause, um sich um die Kinder und den Rest zu kümmern. Der Vater hatte seine eigene Schreinerei und alle im Dorf bewunderten und mochten ihn sehr. 

Grund für die Auswanderung und Abreise

Als Slowenien, Kroatien, Makedonien und Bosnien Herzegowina 1991 – 1992 aus der Bundesrepublik Jugoslawien austraten, entwickelte sich in der Folge ein blutiger, chaotischer und grausamer Krieg zwischen Bosniern, Kroaten und Serben.

Zum Zeitpunkt der Abreise war mein Grossvater 31 Jahre alt und stand mitten im Leben. Er hatte bereits eine Frau und zwei kleine Söhne, somit seine kleine eigene Familie. Er wusste bereits länger, dass es zu einem Krieg kommen würde, wenn der Austritt Bosniens aus der Bundesrepublik Jugoslawien bekannt würde. Also reiste er zu einem ehemaligen Nachbarn, der bereits in der Schweiz arbeitete.

Sein Ziel war es, an ein Arbeitsvisum zu gelangen und zu seiner eigenen, aber auch zur Sicherheit der Familie, in die Schweiz fliehen zu können und da eine Arbeit zu haben. Es gelang ihm schnell und er blieb zunächst drei Monate dort.

In Bosnien wurde die Lage währenddessen immer schlimmer. Viele Orte waren schon eingenommen worden und meine Grossmutter flüchtete mit den Kindern immer in weitere Dörfer. Sie lebten in ständiger Angst und es blieb ihnen nur die Hoffnung, dass mein Grossvater zurückkäme, um sie abzuholen und um mit ihnen ein besseres Leben anzufangen.

Nach den erwähnten drei Monaten fuhr mein Grossvater nach Bosnien zurück, um die Familie zu holen. Sie mussten das meiste Eigentum im Haus zurücklassen, das später von den Serben verbrannt oder gestohlen wurden. Die einzigen Sachen, die sie mitnahmen, waren einige Kleider und Spielsachen, die im Kofferraum verstaut wurden. 

Mein Grossvater hoffte für seine Kinder und für die Familie, dass sie in der Schweiz ein besseres Leben haben könnten als in der Heimat. Das erwies sich als richtig, da der Krieg immer schlimmer und ihr Heimatdorf ebenfalls eingenommen worden wurde. 

Ankunft in der neuen Heimat

Mit den wenigen Kleidern und Spielsachen fuhr die Familie vorsichtig Richtung Grenze. Sie wurden jedoch aufgehalten und man wollte sie nicht mehr rauslassen. Mein Grossvater zeigte den Zollbeamten und Soldaten an der Grenze sein Arbeitsvisum und so wurden sie ausnahmsweise durchgelassen. Die Reise dauerte zwei ganze Tage, da es damals noch keine guten Autobahnen gab und man über Stock und Stein fahren musste.

Mein Grossvater hatte sich bereits vor der Familie drei Monate in der Schweiz aufgehalten und bewunderte stets die Lebensqualität und die Freundlichkeit in dem Land. Seine Frau und die Söhne waren froh, dass sie keine Angst haben mussten, einfach im Schlaf erschossen oder von einer Bombe getroffen zu werden.

Einleben und Integration in der neuen Heimat

Es war gut, dass man das Gefühl hatte, in Sicherheit und gut aufgehoben zu sein. Es hatte sie beeindruckt, wie sauber und zivilisiert die Schweiz ist. Sie vermissten jedoch alle ihre Heimat und die Verwandten, die leider zurückgeblieben ist.

Sie konnten bei einer bosnischen Familie unterkommen, die schon länger in der Schweiz lebte und ihnen gerne half. Mein Grossvater begann gleich wieder bei seinem Kollegen zu arbeiten. Meine Grossmutter putzte manchmal bei anderen Leuten und sie verdienten ihr eigenes Geld.

Bald bekamen sie eine Wohnung und zogen bei der unglaublich freundlichen Familie aus. Die Kinder konnten in der Schule angemeldet werden und besuchten die Schule. Dies war jedoch kein gutes Erlebnis, da viele sie runtermachten, ausgrenzten und auslachten, weil sie kein Deutsch konnten.

Auch die Eltern erlebten das gelegentlich so. Deshalb strengten sie sich umso mehr an, Deutsch zu lernen, um sich selbst das Leben zu vereinfachen. Es gab jedoch auch sehr viele Menschen, die ihnen immer geholfen oder für sie übersetzt haben. Denen sind sie heute noch sehr dankbar.

Heute / Zukunftspläne

Heute ist mein Grossvater 61 Jahre alt und inzwischen bereits pensioniert. Die beiden Söhne sind bereits 38 und 35 und leben schon seit Längerem nicht mehr im Elternhaus. Er hat jetzt fünf Enkelkinder im Alter von 14, 11, 3, 2 und 1 Jahren. Mein Grossvater verbringt sehr gerne Zeit mit seinen Enkeln. Sonst ist er ein sehr grosser Naturliebhaber und geht gerne spazieren oder kümmert sich um Gärten in der Nachbarschaft. 

Jedoch würde er gerne zurück in seine geliebte Heimatstadt gehen. Der grösste Teil der Familie wohnt immer noch in dem Dorf und sie würden es sehr begrüssen, wenn er wieder zurückkäme. Er selbst möchte zurück, da seine Kinder bereits erwachsen sind und er die verpassten Jahre in Bosnien nachholen möchte. Auch möchte er ein Stück der Nostalgie fühlen und in alten Erinnerungen schwelgen.

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Fazit

Was hat mich beeindruckt?

Mich haben bei der Geschichte meines Grossvaters sehr viele Punkte besonders beeindruckt. Wie stark muss sein, wenn in der Heimat gerade ein Krieg tobt, man zwei kleine Söhne hat und die ganze Familie zurücklassen muss, um im Ausland eine Arbeit zu suchen? Man kann sich gar nicht vorstellen, wie schlimm das für meinen Grossvater war und in welcher Lage er sich befand.

Andererseits war ich auch von der Freundlichkeit der Familie beeindruckt, die meine Grosseltern und ihre Kinder aufgenommen haben.  

Was habe ich Neues dazu gelernt?

Da ich mich schon vorher mit dem Thema auseinandergesetzt hatte, kannte ich bereits einen grossen Teil der Geschichten meines Grossvaters. Ich habe aus seinen Erzählungen und Erfahrungen gelernt, dass man niemals aufgeben sollte und sich das Blatt immer zum Guten wenden kann.

Was fiel mir leicht, wo hatte ich Schwierigkeiten?

Meine Schwierigkeiten lagen darin, dass zwei bis drei Themen relativ ähnlich waren und ich mir immer genau überlegen musste, in welches Unterkapitel die Information am besten passten.

Eine weitere Schwierigkeit war, den Hauptteil im Präteritum zu schreiben. Wenn ich eine Idee hatte, musste ich sie erst schreiben und anschliessend noch die korrekte Präteritumform wählen. Was mir jedoch leicht fiel, war den Inhalt zu finden. Ich hatte viele Ideen und konnte diese meiner Meinung nach gut in das Migrationsprojekt einbringen.

Was würde ich bei einer nächsten Aufgabe ändern?

Bei einem nächsten Schreibprojekt werde ich mir viel mehr Zeit lassen und mich nicht selbst stressen. Gute Ideen brauchen Zeit, sich zu entwickeln.

Sonst finde ich das Migrationsprojekt eine grossartige Sache und es hat auch grossen Spass gemacht, es zu verfassen.

2 Antworten auf „Das Leben im Schatten des Jugoslawienkrieges“

  1. Eine eindrückliche Geschichte! Es ist schön, dass sie jetzt von dir geschrieben wurde und du es vielleicht später, deine Kinder lesen lassen kannst. Es ist ein grosser Teil eurer Familiengeschichte.

    1. Liebe Frau Mulders
      Vielen lieben Dank für Ihren netten Kommentar! Da es meine persönliche Familiengeschichte ist, freut es mich umso mehr, dass sie Ihnen gefällt.

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